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Datum
  • Okt. 20, 2022
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Kategorie Business
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Digitale Transformation in der Versicherung: Das volle Potenzial ausschöpfen

Digitale Transformation in der Versicherung: Das volle Potenzial ausschöpfen

Es klingt aus heutiger Sicht bemerkenswert: Versicherungsunternehmen waren einmal Vorreiter in Hinblick auf die Digitalisierung. Die Branche war eine der Ersten, die vor Jahrzehnten das Potenzial von Computersystemen erkannte und ihre internen Prozesse digitalisierte.

Seit einigen Jahren rollt die nächste Welle der digitalen Transformation in der Versicherungsbranche. Nach einiger Zeit des Zögerns – spätestens seit Ausbruch der Coronapandemie – haben die Versicherungen den Handlungsbedarf erkannt und arbeiten unter Hochdruck an Digitalisierungsprojekten.

Warum müssen sich Versicherungen erneut tiefgreifend verändern? In welchen Bereichen liegt das größte Potenzial? Welche Use Cases sind bereits heute oder in naher Zukunft denkbar? Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, basierend auf der Auswertung mehrerer Studien und Reports.

Warum sich Versicherungen stärker digitalisieren müssen

Sie ergeben eine lange Liste: die Herausforderungen, denen sich Versicherer aktuell stellen müssen und auf die „Digitalisierung“ die Antwort ist; wie:

Kundenerwartungen: Angetrieben durch den Online-Handel erwarten die Kunden heute, alles schnell und digital bekommen zu können. In einer Studie von Adesso gaben 45 Prozent der 18-29-jährigen an, dass sie sich am liebsten online über Versicherungen informierten und diese auch online kauften.

Zersplitterte Zielgruppen: Die Anforderungen an Versicherungen unterschieden sich stark zwischen verschiedenen Personengruppen. Laut einer pwc-Studie gehen 68 Prozent der Versicherer davon aus, dass sie sich in Zukunft stärker auf einzelne Zielgruppen fokussieren und ihre Angebote auf diese Zielgruppen anpassen.

Kostendruck: Die extremen Ereignisse der letzten Jahre – von Pandemie bis Unwetter – haben die Versicherungen eine Menge Geld gekostet; zudem spürt die Branche die allgemeinen Kostensteigerungen wie alle anderen. Demgegenüber stehen immer noch niedrige Zinsen bei risikoarmen Investments. Die höheren Kosten können jedoch nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden.

Wettbewerb: InsurTech-Startups kommen mit neuen Geschäftsmodellen auf den Markt und nehmen der traditionellen Versicherern Marktanteile weg, hauptsächlich unter den attraktiven jungen Zielgruppen.

Digitalisierung des Gesundheitswesens: Krankenversicherer müssen immer größere Datenmengen handeln und an digitale Prozesse in der Gesundheitsversorgung ankoppeln: die E-Patientenakte, Gesundheits-Apps oder neue digitale Diagnoseverfahren sind nur Beispiele.

Compliance: Mit der Digitalisierung steigen auch die Anforderungen und Regeln in puncto Datenschutz, Datensicherheit und Transparenz.

Personalmangel: Nicht zuletzt fehlen den Versicherungen tausende Fachkräfte – Entspannung des Personalmarkts ist langfristig nicht in Sicht.

Digitale Transformation muss alle Unternehmensbereiche einschließen

Bisher haben sich Versicherungen bei der Digitalisierung vorwiegend auf die Kundenschnittstelle fokussiert: auf Beratung und Verkauf und die Vertragsverwaltung: in diesen Bereichen bescheinigen sich die Versicherer laut Insight Assekuranzpanel selbst auch ein gutes Digitalisierungsniveau (2,3 bzw. 2,4 auf einer Skala von 1 bis 4).

Doch die obige Liste an Herausforderungen macht deutlich: mit nutzerfreundlichen Websites und Apps allein ist es nicht getan. In anderen Bereichen hängt man noch zurück. Den Versicherern wird klar, dass sie jeden Bereich des Unternehmens wandeln und die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen müssen. Nur so lassen sich alle Potenziale der Digitalisierung ausschöpfen – und nichts weniger ist nötig, um gestärkt in die Zukunft gehen zu können. Drei Viertel der Befragten im Assekuranzpanel nannten folgerichtig „Effizienzsteigerung durch digitalisierte Prozesse“ als zukünftige Hauptaufgabe.

Ein Whitepaper von Bain & Company und Google zum Thema Digitalisierung von Versicherungen zählt sechs Bereiche auf, die bei der Digitalisierung einbezogen werden müssen:

  • Produktentwicklung und -beobachtung

  • Marketing und Distribution

  • Underwriting*, Neuverträge

  • Verwaltung der Versicherungspolicen

  • Schaden-Management

  • Allgemeine Verwaltung und IT

* Underwriting = Risikobewertung und Erstellung von Verträgen für besondere Fälle, die nicht mit Standardverträgen abzudecken sind.

Für jeden Bereichen nennt das Whitepaper neue Technologien, die bestimmte Prozesse verbessern können oder ganz neue Geschäftsmodelle ermöglichen – mit direkter Auswirkung auf das finanzielle Ergebnis. (Der Report bezieht sich auf Sachversicherungen. Die Erkenntnisse gelten jedoch tendenziell auch für Versicherer im Bereich Leben und Gesundheit.)

Use Cases für die digitale Transformation

Eine Reihe von Use Cases veranschaulicht, was alle möglich ist oder möglich wird und wie tiefgreifend die Veränderung sein wird: Die Spannbreite geht von bekannten Lösungen wie Cloud-Computing für den IT-Betrieb bis zu Anwendungen künstlicher Intelligenz, die vor einigen Jahren noch in Science-Fiction-Filmen auftauchten.

Produktivität: Mit populären Tools für Videokonferenzen oder gemeinsame Dokumentenbearbeitung können Mitarbeitende von Versicherungen ortsunabhängig zusammenarbeiten – und ebenso mit Kunden. Marketer können mit modernen CMS Landingpages und sogar personalisierte Kampagnen selbstständig erstellen, ohne wochenlang auf die Umsetzung durch die IT warten zu müssen.

Online-Targeting und Personalisierung: Versicherer können auf ihren digitalen Kanälen bestimmte Nutzergruppen identifizieren und Inhalte und Angebote direkt auf diese zuschneiden; entweder über Personalisierungsfunktionen im CMS oder durch die Integration von weiteren Tools.

Advanced Analytics und Maschinenlernen: Versicherer können durch Datenanalysen tiefe Einblicke in die Bedürfnisse und in das Verhalten von Kunden bekommen. Mit diesem Wissen können sie bessere Angebote und Preismodelle entwickeln oder Lösungen, um Versicherungsbetrug zu erkennen. Lernende Systeme können sich anhand der Daten selbst optimieren.

Headless IT: Durch den Einsatz sogenannter Headless-Systeme werden die komplexen Backend-Systeme von den Frontends getrennt. Dadurch kann die Weiterentwicklung der Frontends – der digitalen Kundenkanäle – deutlich beschleunigt werden; Innovationen können laufend getestet und eingeführt werden. Der IT-Betrieb wird langfristig effizienter und günstiger.

Internet der Dinge (IoT): Durch die Vernetzung von Fahrzeugen, Gebäuden oder Gegenständen können diese und ihre Nutzer geschützt werden. Durch vorbeugende Wartung lassen sich Schäden vermeiden. Diebstähle können erkannt und eventuell aufgeklärt werden. Sensoren melden Unfälle direkt an die Notfall-Hotline. Die Schadenregulierung wird beschleunigt, da auf die Daten zugegriffen werden kann.

Distributed-Ledger: Diese Technologie, die auch hinter der Blockchain steht, macht zum Beispiel sogenannte „Smart Contracts“ möglich: Versicherungsverträge können geschlossen oder verändert werden, oder Ansprüche ausbezahlt werden, ohne dass eine Mittelsperson die jeweilige Transaktion durchführen oder freigeben muss. Das funktioniert, weil die Blockchain-Technologie Manipulationen praktisch unmöglich macht. Hier finden Sie weitere Use Cases für diese Technologie.

Virtual/Augmented Reality (VR/AR): Statt ein Gebäude persönlich zu begehen, könnte ein Underwriter ein 3D-Modell „begehen“, um die Konditionen für einen Versicherungsvertrag zu ermitteln. Ebenso könnten Modelle in der Schadenregulierung verwendet werden, um den Hergang von Unfällen zu rekonstruieren.

Die finanziellen Potenziale sind riesig

Bain und Google errechnen beispielhaft, welche Einsparungen möglich sind, wenn Versicherer alle darin erwähnten Technologien einsetzen. Ihr Ergebnis: Ein typischer Sachversicherer kann seine Umsätze innerhalb von 5 Jahren um 28 Prozent steigern, seine Forderungsauszahlungen um 19 Prozent und die Verwaltungskosten um 72 Prozent senken. Die größten Potenziale dabei bieten die noch wenig beachteten Bereiche Underwriting und Schadenregulierung.

Bei diesen Zahlen wird klar: Digitalisierung wird zum Wettbewerbsfaktor Nummer 1 unter den Versicherungen. Je digitaler eine Versicherung arbeitet, desto besser kann sie ihre Produkte auf die Kunden zuschneiden, und desto günstigere Preise kann sie anbieten. Die eingesparten Kosten kann sie zusätzlich in die Entwicklung weiterer Innovationen stecken und so weiteren Vorsprung gewinnen.

Versicherer sollten Ökosysteme aufbauen

Dem immer stärkeren Wettbewerb durch branchenfremde Player können Versicherungen begegnen, indem sie von diesen lernen: nämlich über den Tellerrand der Versicherungswirtschaft hinauszuschauen und neue Wachstumsfelder zu erschließen. Das aktuell größte Potenzial versprechen sogenannte Ökosysteme: eng vernetzte Produkte und Services (wie das iPhone, die Apps und Zubehörprodukte). Nur die konsequente Digitalisierung ermöglicht diese Strategie.

Versicherer könnten etwa Services für die Gesundheitsfürsorge oder die Schadenprävention anbieten; oder den 3D-Druck von individuellen Ersatzteilen; oder zusammen mit Herstellern Produkte mit „eingebautem“ Versicherungsschutz entwickeln; das sind nur drei von vielen denkbaren Beispielen.

Weitere Technologien werden Geschäftsmodelle ermöglichen, an die wir heute noch nicht denken. Welche Art Versicherung autonome Fahrzeuge oder Fluggeräte benötigen, ist heute noch mehr als unklar. Deshalb benötigen Versicherer IT-Systeme, die skalierbar und offen für alle heutigen und zukünftigen Technologien sind. Dafür eignet sich der Ansatz einer Composable Digital Experience Plattform (DXP): eine offene Plattform, die modular aufgebaut ist und dadurch extrem flexibel und skalierbar ist.

Über den Autor

Jonas Klingberg Sales & Partner Manager EMEA bei Magnolia

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